Innerlich gekündigt
„Quiet Quitting“ und „Micro Retirement” als aktuelle Phänomene der Arbeitswelt
Vor dem Hintergrund verblassender Wohlstandsversprechen verändern sich die Arbeitsvorstellungen vieler Beschäftigter. Medial breit diskutiert werden etwa Phänomene wie „Quiet Quitting“ oder „Micro Retirement“. Im Rahmen der heurigen AK-Veranstaltung beim „Science Meets Fiction“-Festival wollten wir wissen, ob diese Begriffe einen Nerv der Zeit treffen. Und ob sie als Ausdruck von Eigensinn, Widerstand oder Kritik zu verstehen sind. Unter dem Titel „Innerlich gekündigt: Neue Arbeitsweisen zwischen Kritik und Rückzug“ warteten 2 spannende Vorträge samt Podiumsdiskussion auf die Besucher:innen.
In ihrem Impulsreferat griff Soziologin und Autorin Nadia Shehadeh die Debatte über vermeintlich „neue“ Arbeitseinstellungen insbesondere jüngerer Beschäftigter auf. „Quiet Quitting“ (dt. „stille Kündigung“) – oft verstanden als Kritik an den bestehenden arbeitsweltlichen Rahmenbedingungen – kann auch als (politische) Haltung gedeutet werden. Zentrale Merkmale sind etwa der Dienst nach Vorschrift, klare Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben und die Vermeidung von Überstunden. Als verwandtes Phänomen erläuterte sie das Konzept des „Lazy Girl Job“. Der provokante Begriff spricht reale Bedürfnisse an: Stressarme, planbare Arbeitsplätze, die Raum für das Leben außerhalb der Erwerbsarbeit lassen. Diese Arbeitseinstellung sei die Antwort auf eine sich massiv verändernde Arbeitswelt, die durch Arbeitsverdichtung, unstete Erwerbsbiographien und unsichere Arbeitsplätze gekennzeichnet ist.
Der Autor, Journalist und Kurator Robert Misik skizzierte in seinem Impulsreferat die zahlreichen arbeitsweltlichen Entwicklungen, die zu veränderten Arbeitsorientierungen geführt haben. Er prangerte an, dass das Wirtschaftssystem nicht länger von moralischen Werten und gegenseitiger Unterstützung geprägt ist. Es sei daher nicht verwunderlich, dass gerade jüngere Beschäftigte ein distanzierteres Verhältnis zu ihrer Arbeit pflegen – Stichwort: innere Kündigung.
Diese stille, innere Kündigung sei keine Lösung, sondern vielmehr eine „Anleitung zum Unglücklichsein“. Da Erwerbsarbeit (in Form eines Vollzeitjobs) für die allermeisten Menschen eine Notwendigkeit darstellt, sei es eine große Belastung „über 32 Stunden pro Woche etwas zu tun, ohne Identifikation, mit innerer Distanz, als etwas, was einem fremd, äußerlich und feindlich ist“.
Im Anschluss an die Impulsvorträge diskutierten die beiden Vortragenden am Podium und beleuchteten kritisch die jeweils präsentierten Perspektiven. Viel wurde an diesem Abend auch über das Leistungsprinzip diskutiert. Schließlich ist die Vorstellung wir lebten in einer leistungsgerechten Gesellschaft eine der wichtigsten Legitimationsstützen sozialer Ungleichheit. Etwa dann, wenn Arme verdächtigt werden, deswegen arm zu sein, weil es ihnen nur an Motivation mangelt, obwohl es gerade oft sie sind, die sich am meisten abrackern müssen. Umgekehrt können sich Reiche als Leistungsträger:innen präsentieren, obwohl Reichtum häufig nur vererbt wird.
Die Diskussion zeigte, dass unter Leistung oft nur Lohnarbeit, nicht aber unbezahlte Sorgearbeit, die Pflege von Beziehungen, politische Arbeit oder lokales freiwilliges Engagement verstanden wird.