Grenzüberschreitende Leistungen nach der Geburt

Österreich und andere EU-Staaten sehen bei Schwangerschaft und nach der Geburt eines Kindes Geldleistungen vor. Diese sollen die Eltern unterstützen bzw. den Verlust des Arbeitsverdienstes ausgleichen. In Österreich gibt es während des Mutterschutzes (In der Regel: 8 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung) das sogenannte Wochengeld, nach der Geburt erhalten Eltern das Kinderbetreuungsgeld. Väter können unter gewissen Voraussetzungen nach der Geburt einen Familienzeitbonus beziehen.

  • Wann hat man nun aber bei grenzüberschreitenden Fällen Anspruch auf eine solche Leistung aus Österreich?

  • Muss man in Österreich wohnen, um sie zu erhalten?

  • Oder bekommt man sie auch, wenn man zwar in Österreich arbeitet, aber in einem anderen Staat lebt?

  • Was passiert, wenn man nach der Geburt aus Österreich in einen anderen Staat übersiedelt?

  • Oder wenn beide Eltern in unterschiedlichen Staaten beschäftigt sind?

Diese Fragen lassen sich für Mitgliedstaaten der EU und die Schweiz nur mit Hilfe von EU-Recht – konkret kommt die EU-Verordnung 883/2004 zur Anwendung – beantworten.

Wann bekomme ich Wochengeld in Österreich?

Das österreichische Wochengeld erhalten werdende Mütter, wenn sie aus einer aufrechten Beschäftigung oder aus dem Arbeitslosengeldbezug in den Mutterschutz (Beschäftigungsverbot) kommen. Für derartige Leistungen sieht die EU-Verordnung die Anknüpfung an den Beschäftigungsort vor. Zuständig für Leistungen bei Mutterschaft ist also jener Staat, in dem die Mutter beschäftigt ist. Der Wohnort der Mutter ist in diesem Fall irrelevant.  

Österreich ist somit grundsätzlich immer dann für das Wochengeld zuständig, wenn die Mutter unmittelbar vor Mutterschutzbeginn in Österreich beschäftigt war.

Beispiel

  • Frau A. ist schwanger und lebt im benachbarten Bayern. Sie arbeitet in Salzburg als Sekretärin. Am 28.8.2022 kommt sie in Mutterschutz. Da Frau A. in Österreich beschäftigt ist, ist Österreich für Leistungen bei Mutterschaft zuständig. Frau A. kann also Wochengeld in Österreich beantragen, der Wohnort in Deutschland ist nicht relevant.

Da auch der Arbeitslosengeldbezug wie eine Beschäftigung zu werten ist, ist Österreich darüber hinaus auch dann für das Wochengeld zuständig, wenn eine werdende Mutter vor Mutterschutzbeginn Arbeitslosengeld aus Österreich bezieht.

Wann bekomme ich den Familienzeitbonus in Österreich?

Der Familienzeitbonus ist eine Leistung, die Väter erhalten, wenn sie innerhalb der ersten 91 Tage ab der Geburt des Kindes ihre Erwerbstätigkeit für ca. 1 Monat unterbrechen und sich in dieser Zeit ganz der Familie widmen. EU-rechtlich handelt es sich dabei um eine Leistung bei Vaterschaft. Es gelten dieselben Regelungen wie bei einer Leistung bei Mutterschaft – zuständig ist der Staat, in dem der Vater beschäftigt ist.  

Österreich ist somit immer dann für den Familienzeitbonus zuständig, wenn der Vater in Österreich beschäftigt ist. Zwar würde auch hier der Arbeitslosengeldbezug wie eine Beschäftigung gelten. Da der Familienzeitbonus nach nationalem Recht aber nur bei aufrechter Beschäftigung bezogen werden kann, scheidet diese Leistung bei Arbeitslosigkeit aus. 

Wann bekomme ich Kinderbetreuungsgeld in Österreich?

Voraussetzung für die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld ist ein Anspruch auf Familienbeihilfe. Hat das österreichische Finanzamt bereits einen Anspruch auf Familienbeihilfe bejaht, kann man daher in der Regel auch mit Kinderbetreuungsgeld aus Österreich rechnen.

Das österreichische Kinderbetreuungsgeld ist nach EU-Recht eine Familienleistung. Grundsätzlich gilt auch hier, dass nur ein Staat für derartige Leistungen zuständig ist. Es wird jedoch zwischen primärer und sekundärer Zuständigkeit unterschieden. Familienleistungen müssen jedenfalls zuerst im primär zuständigen Staat beantragt werden. Sind die dortigen Leistungen jedoch niedriger als im sekundär zuständigen Staat, so muss dieser Ausgleichszahlungen in Höhe der Differenz zur eigenen Leistung erbringen.

Familienleistungen wie das Kinderbetreuungsgeld können sowohl von der Mutter als auch vom Vater beantragt werden. Auch hier sind für die Zuständigkeit grundsätzlich der Beschäftigungsort bzw. der Wohnort maßgeblich. Da für beide Eltern derselbe Staat zuständig sein soll, wird aber nicht auf jeden Elternteil gesondert geschaut, sondern die Familie als Ganzes betrachtet. Zunächst wird immer die primäre, danach die sekundäre Zuständigkeit geprüft.

So wird die Zuständigkeit beim Kinderbetreuungsgeld geprüft

In einem ersten Schritt wird immer auf den Beschäftigungsort der Eltern geschaut. Ist nur ein Elternteil erwerbstätig oder arbeiten beide Eltern im selben Staat, so ist dieser Staat primär für Familienleistungen zuständig. Fallen die Beschäftigungsorte auseinander, wird der Wohnort des Kindes maßgeblich. Primär zuständig ist dann jener Staat, in dem das Kind lebt. Für den jeweils anderen Staat kann sich aber eine sekundäre Zuständigkeit ergeben.

Vereinfacht gesagt kann in Österreich in der Regel dann ein Antrag auf Kinderbetreuungsgeld gestellt werden, wenn entweder beide Eltern in Österreich arbeiten oder die Eltern zwar in unterschiedlichen Staaten arbeiten, die Familie aber in Österreich lebt. Andernfalls besteht gegebenenfalls eine sekundäre Zuständigkeit.

achtung

An eine Erwerbstätigkeit (selbständig oder unselbständig) kann nur dann angeknüpft werden, wenn diese vor Mutterschutzbeginn bei der Mutter bzw. vor Geburt des Kindes beim Vater mindestens 182 Tage lang ohne Unterbrechungen aufrecht war. Für die Definition der Erwerbstätigkeit verweist das EU-Recht nämlich auf nationales Recht, das dieses Erfordernis aufstellt.

Während der Karenz ist die Mutter zwar nicht tatsächlich erwerbstätig, ihr Dienstverhältnis ist aber aufrecht und wird nur nach dem Mutterschutzgesetz karenziert. Eine solche Karenz gilt als Beschäftigung, sodass an diese angeknüpft werden kann.

achtung

An eine Erwerbstätigkeit (selbständig oder unselbständig) kann nur dann angeknüpft werden, wenn diese vor Mutterschutzbeginn bei der Mutter bzw. vor Geburt des Kindes beim Vater mindestens 182 Tage lang ohne Unterbrechungen aufrecht war. Für die Definition der Erwerbstätigkeit verweist das EU-Recht nämlich auf nationales Recht, das dieses Erfordernis aufstellt.

Kinderbetreuungsgeld in der Praxis

Die Eltern arbeiten im selben Staat: Sind Mutter und Vater im selben Staat beschäftigt, so ist dieser Staat für Familienleistungen primär zuständig, auch wenn die Familie in einem anderen Staat lebt. Arbeiten Mutter und Vater also beide in Österreich, so ist Österreich der primär zuständige Staat und die Eltern können Kinderbetreuungsgeld in Österreich beantragen. Es besteht jedoch eine sekundäre Zuständigkeit des Wohnortstaates.

Die Eltern arbeiten in unterschiedlichen Staaten: Fallen die Beschäftigungsstaaten hingegen auseinander, weil ein Elternteil in einem, der andere in einem anderen EU-Staat (oder der Schweiz) beschäftigt ist, wird nicht mehr auf den Beschäftigungsort der Eltern, sondern auf den Wohnort des Kindes abgestellt. Primär zuständig ist dann also jener Staat, in dem das Kind wohnt.

beispiele

  • Frau A. und Herr B. haben gerade ihr erstes Kind bekommen. Frau A. arbeitet als Angestellte in Salzburg, ihr Dienstverhältnis ist derzeit karenziert. Herr B. arbeitet als Mechaniker in Bayern. Die Familie wohnt auch in Bayern. Primär zuständig für Familienleistungen ist somit Deutschland. Es besteht jedoch eine sekundäre Zuständigkeit Österreichs, Österreich muss also gegebenenfalls Ausgleichszahlungen leisten.

  • Frau und Herr L. sind gerade Eltern geworden. Frau L. arbeitet als Friseurin in Zell am See, Herr L. ist Software-Entwickler und arbeitet unter der Woche bei einer Firma in der Schweiz. Die Familie lebt in Zell am See. Primär zuständig für Familienleistungen ist Österreich, die Schweiz ist sekundär zuständig. 

Nur ein Elternteil ist erwerbstätig: Ist nur ein Elternteil erwerbstätig, der andere hingegen arbeitslos, ohne Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu beziehen, so richtet sich die primäre Zuständigkeit nach dem Ort der Beschäftigung des einen Elternteils. Der Wohnort des Kindes begründet eine sekundäre Zuständigkeit.

beispiel

  • Familie D. lebt in Freilassing, in Deutschland. Herr A. arbeitet in Österreich als Kellner, seine Frau geht keiner Erwerbstätigkeit nach und bezieht auch kein Arbeitslosengeld. Primär zuständig ist Österreich, aufgrund des Wohnortes besteht jedoch eine sekundäre Zuständigkeit Deutschlands.

Nur ein Elternteil ist erwerbstätig, der andere bezieht Arbeitslosengeld: In diesem Fall kann an den Arbeitslosengeldbezug wie an eine Beschäftigung angeknüpft werden.

beispiel

  • Herr R. und Frau G. sind vor kurzer Zeit Eltern geworden. Die Familie lebt in Hallein. Seit Ende des Mutterschutzes erhält Frau G. Arbeitslosengeld vom AMS. Herr R. ist in Berchtesgaden, Bayern beschäftigt. Da der Arbeitslosengeld-Bezug wie eine Beschäftigung zu werten ist, fallen die Beschäftigungsorte der Eltern auseinander, maßgeblich für die primäre Zuständigkeit ist also der Wohnort des Kindes. Österreich ist somit primär zuständig, Deutschland sekundär.

achtung

Hat Frau G. lediglich vor Mutterschutzbeginn Arbeitslosengeld bezogen, setzt sie den Bezug nach Ende des Mutterschutzes jedoch nicht fort oder fällt die Leistung nach einer gewissen Zeit weg, so besteht für die Mutter kein Anknüpfungspunkt für eine (fingierte) Beschäftigung! Allein der Vater gilt dann als erwerbstätig, für die primäre Zuständigkeit muss an seine Beschäftigung angeknüpft werden. Primär zuständig wäre demnach Deutschland!

Zuständigkeitswechsel beim Kinderbetreuungsgeld

Eine einmal begründete Zuständigkeit gilt nicht auf Dauer, sondern nur so lange, bis sich die Umstände ändern. Sobald sich Beschäftigungsort oder Wohnort ändern, eine Beschäftigung wegfällt oder ein Arbeitslosengeldbezug beginnt oder wegfällt, muss auch die EU-rechtliche Zuständigkeit wieder neu geprüft werden.

beispielE

  • Herr und Frau A. arbeiten beide in Österreich, die Familie lebt in Deutschland. Frau A. möchte ihr karenziertes Dienstverhältnis in Österreich nun aber beenden, um noch vor Auslaufen des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen. Mit Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland ändert sich aber die primäre Zuständigkeit. Die Beschäftigungsorte der Eltern fallen auseinander – primär zuständig wird der Staat, in dem das Kind lebt, also Deutschland. Aus Österreich stehen ab diesem Zeitpunkt bestenfalls noch Ausgleichszahlungen zu.  

  • Herr und Frau D. leben mit ihrem neugeborenen Kind in Österreich. Herr D. ist Saisonarbeiter und bezieht derzeit Arbeitslosengeld aus Österreich, in den kommenden Monaten wird er aber auf einer Alm in Deutschland als Kellner tätig sein. Nach dem Sommer wird er wieder Arbeitslosengeld in Österreich beantragen. Frau D. ist ebenfalls arbeitslos, erhält aber kein Arbeitslosengeld.

    Solange Herr D. Arbeitslosengeld bezieht, kann nur in Österreich Kinderbetreuungsgeld beantragt werden. Nimmt Herr D. aber seine Arbeit in Deutschland auf, wird Deutschland aufgrund des Beschäftigungsorts primär zuständig. Familienleistungen müssen nun also in Deutschland beantragt werden. Österreich muss, wenn das österreichische Kinderbetreuungsgeld höher wäre, Ausgleichszahlungen leisten. Bezieht Herr D. nach den Sommermonaten wieder Arbeitslosengeld in Österreich, endet die deutsche Zuständigkeit. Es kann nun wieder Kinderbetreuungsgeld in Österreich beantragt werden.

So funktionieren Ausgleichszahlungen

Wenn Österreich nicht primär, sondern sekundär für Familienleistungen zuständig ist, muss der Staat gegebenenfalls Ausgleichszahlungen leisten. Ausgleichszahlungen werden dann fällig, wenn das Kinderbetreuungsgeld in Österreich höher wäre als die Familienleistung im primär zuständigen Staat.

Um eine Ausgleichszahlung zu erhalten, muss man in Österreich einen entsprechenden Antrag stellen. Der österreichische Krankenversicherungsträger vergleicht dann die Leistungen aus beiden Staaten und ermittelt die Differenz der jeweils zustehenden Gesamtsummen. Die Berechnung kann komplex sein, man sollte sich daher gut informieren. Eine Auszahlung erfolgt am Ende des Kalenderjahres.

ACHTUNG

Wer in Österreich Ausgleichszahlungen beantragt, muss sich ebenfalls für ein österreichisches Kinderbetreuungsgeld-Modell entscheiden. Um auch hier die richtige Wahl zu treffen, ist eine Beratung sinnvoll. 

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