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Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn die „Big Player“ Staaten Steuergeld entziehen. Denn dieses Geld fehlt für die Infrastruktur, für Schulen, Kindergärten. Es fehlt der Gemeinschaft, die das verloren gegangene Geld trotzdem ersetzen muss. Arbeiterkammer und ÖGB Salzburg machten gestern in der Veranstaltung „Wer bietet weniger – Steuertricks und Steuersümpfe kosten uns Milliarden“ auf diese Schieflage aufmerksam. Über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hörten im Saal der AK Salzburg gespannt zu, wie Florian Klenk von der journalistischen Hintergrundarbeit und Kooperation berichtete, durch die die Aufdeckung der Panama-Papers-Skandale erst möglich wurde. Silke Ötsch von der Universität Innsbruck beleuchtete dann die Strukturen und Mechanismen der Steuervermeidungsindustrie und berichtete über den Kampf gegen die Steuersümpfe.
Michaela Schmidt, Silke Ötsch, Moderator Stefan Wally von der Robert-Jungk-Bibliothek, Florian Klenk und Peter Eder beim Anschneiden des sichtbar ungleich verteilten „Steuerkuchens“.
„Steuern sind der Preis, den wir für eine zivilisierte Gesellschaft und eine funktionierende Demokratie bezahlen. Sie zu vermeiden oder gar zu hinterziehen ist kein Kavaliersdelikt. Ganz besonders, wenn das jene tun, die besonders von den Leistungen eines modernen Staates und seiner Infrastruktur profitiert haben!“, sagte AK-Vizepräsident Peter Eder in seinem Begrüßungsstatement. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch kleine und mittlere Unternehmen das Gros der Steuerlast schultern müssen, weil die Großen sich diesem oft entziehen. Denn in den Steuersümpfen, wo das Geld liegt und (fast) nicht besteuert wird, fällt keinerlei Wertschöpfung an. „Das verletzt das Leistungsprinzip! AK und ÖGB kämpfen weiter für Steuergerechtigkeit und gegen die Schattenfinanz“, so Eder.
Florian Klenk eröffnete mit den Herausforderungen des modernen investigativen Journalismus bei immer größeren Datenmengen wie im Fall der Panama-Papers. Es galt, 11,5 Millionen Dokumente zu analysieren und sicherzustellen, dass keine falschen Personen an den Pranger gestellt oder unrichtige Rückschlüsse gezogen werden. Dazu kooperierten nicht nur zahlreiche Journalisten aus verschiedensten Ländern. Auch neue Methoden der Vernetzung und Big Data-Analyse kamen zum Einsatz. Die Kanzlei in Panama, von der die Datensätze stammen, versorgte Menschen in der ganzen Welt mit Briefkastenfirmen. Also haben Journalisten global zusammengearbeitet, um Licht in dieses Dunkel zu bringen. „Briefkastenfirmen sind wie ein Sparschwein. Diese Sparschweine werden alle aus verschiedensten Gründen in einen Raum gestellt, sehen alle gleich aus und man sieht nicht, wer der Eigentümer ist“, sagte Klenk.
Also analysierten die Aufklärer zum Beispiel Anschriften und Postleitzahlen und stellten so Verbindungen her, um die Eigentümer oder zumindest die Gründe für jedes Sparschwein herauszufinden. „Die Konstrukte haben nur einen Sinn: Verschleiern, ablenken, unverfolgbar machen!“, so Florian Klenk: „Es ist ein weltzersetzendes, ein demokratiezersetzendes System.“ Denn natürlich werden so auch Schwarzgelder und durch Kriminalität gesammelte Vermögen versteckt. Ganz zu schweigen davon, dass die ehrlichen Steuerzahler die durch diesen Steuerentzug entstandene Lücke füllen müssen.
Silke Ötsch betonte, wie absurd die Diskussion um Steuersümpfe und Steuervermeidung und -hinterziehung in Österreich lange geführt wurde. Die Menschen im Land glaubten teils, das Bankgeheimnis schütze Omas Sparbuch. Dass Steueroasen-Regelungen Arbeitsplätze schaffen. Dass Hinterziehung ein Kavaliersdelikt sei. Dabei profitieren davon immer nur jene ganz oben. Denn heutzutage rechnen sich die dubiosen Praktiken des Steuerraubs frühestens ab einem Barvermögen von 500.000 Euro. Immerhin: Laut Ötsch sind die goldenen Zeiten der Steuerhinterziehungsindustrie privater Vermögen zunehmend vorbei. Seit der Krise 2009 wurden Maßnahmen wie die Abschaffung des Bankgeheimnisses populär. Es werden immer mehr Informationen zwischen Ländern ausgetauscht. Aber das Problem der anonymen Eigentümer bleibt – insbesondere in den USA. Derzeit sind immerhin Register geplant, die die Letztbegünstigten von Stiftungen und Briefkasten-Konten sichtbar machen.
Dafür werden Steuervermeidung und eine aggressive Steuerplanung durch Konzerne immer mehr zum Problem. Multinationale Konzerne verschieben ihre Gewinne so oft zwischen Hoch- und Niedrigsteuerländern hin und her, bis nichts mehr zum Besteuern übrig bleibt. Dazu gründen sie Tochtergesellschaften in Steueroasen, die immaterielle Vermögensgegenstände wie etwa Lizenzen, Marken und Patente für den ganzen Konzern halten. Dorthin fließen dann Gebühren. Finanzierungsgesellschaften werden gegründet, die wiederum weniger besteuerte Zinszahlungen leisten. Neun der zehn größten Unternehmen der Welt haben mindestens eine Niederlassung in einer Steueroase – und 83 Prozent aller börsennotierten US-Unternehmen.
Steueroasen in der EU können durch das Einstimmigkeitsprinzip im Rat oft jahrelang einheitliche Regelungen verhindern – denn Gegenmaßnahmen funktionieren nur, wenn viele Staaten an einem Strang ziehen. „Die zunehmende Standortkonkurrenz und eine nationalstaatlich-egoistische Politik verstärken Krisen und bergen Rückschlags-Gefahren bei der Regulierung“, warnt Silke Ötsch. Die Verluste durch steuermotivierte Gewinnverlagerung betragen laut OECD jährlich 100 bis 240 Milliarden Euro.
Ein Ungleichgewicht herrscht schließlich auch beim Lobbying gegen die Steuervermeidungsindustrie. Die Mittel, die NGOs und Arbeitnehmervertretungen für den Kampf um ein faireres System aufbringen können, sind vielfach geringer als die Kriegskassen der Finanz-Eliten. Trotzdem wird die Schlinge enger: Die OECD und die G20-Nationen arbeiten an Richtlinien und Maßnahmenplänen gegen Steuervermeidung. So sollen zum Beispiel Konzerne für jedes Land einen Rechnungsabschluss legen müssen. So werden Transaktionen zwischen den Dependancen, die der Verschleierung und Steuerminimierung dienen, offensichtlicher. Gewinne sollen dort besteuert werden, wo sie anfallen und die Absetzbarkeit von Zinszahlungen soll eingeschränkt werden. Darüber hinaus sind Offenlegungsregeln und die Besteuerung von Internetfirmen und Online-Händlern sowie Berichtspflichten und Schiedsgerichte geplant.
Werden diese Maßnahmen aber nicht in einem möglichst großen Rahmen umgesetzt, dann verschieben sich die geparkten Gelder nur in einen anderen Steuersumpf. Ein wichtiger Schritt wäre, die Player der Steuervermeidungsindustrie, also zwielichtige Finanzunternehmen, Anwaltsfirmen und Treuhänder haftbar zu machen. Denn sie leben nur zu gut vom Steuerentzug.
TIPP
Die Kräfte im Kampf gegen Steueroasen und Steuervermeidung gehören gebündelt. Deshalb haben AK, Gewerkschaften, Attac und viele weitere Partner die Aktion www.nototaxhavens.eu/ ins Leben gerufen!
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